Mittwoch, 19. November 2014

Strafblog

Lesetipp:



Absurde Stellungnahme der JVA Aachen zum Zweidrittel-Antrag

In der nächsten Woche findet vor der Strafvollstreckungskammer des Aachener Landgerichts eine Anhörung zu einem von meinem inhaftierten Mandanten gestellten Antrag auf vorzeitige Haftentlassung nach 2/3 der verhängten Strafe statt. Der Mann war 2010 wegen der Beteiligung an einem bewaffneten Raubüberfall zu 5 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Wie es sich gehört, sind der Leiter der JVA und wohl auch die Staatsanwaltschaft angehört worden. Die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft liegt mir noch nicht vor – ich bin in dieser Sache gerade erst mandatiert worden -, das ablehnende Votum der JVA hat mir der Mandant gestern überreicht. Da wird zunächst der Sozialarbeiter zitiert, der neben einigen Petitessen im Wesentlichen darauf abstellt, dass mein Mandant während der Haft wegen einer weiteren einschlägigen Straftat unter Einbeziehung der derzeit verbüßten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren verurteilt worden sei. Dass er wegen 13 weiterer Taten freigesprochen wurde und gegen die sehr streitige Verurteilung Revision eingelegt hat, über die noch nicht entschieden ist, wird nicht erwähnt. Fragt sich, ob eine bestrittene Tat, die nicht rechtskräftig abgeurteilt ist und auch nicht ohne weiteres feststeht, trotz der rechtsstaatlichen Unschuldsvermutung im Vollstreckungsverfahren zum Nachteil des Petenten berücksichtigt werden darf.
Schlimmer sind  allerdings die aus März 2013 datierenden Ausführungen der Anstaltspsychologin, die mit meinem Mandaten nach dessen Angaben noch nie ein Wort gewechselt hat. Die schreibt den Mann in Grund und Boden, verweist auf  14 angeklagte Fälle und zitiert aus der Anklage passagenweise einen besonders bösen Fall, der die verwerfliche Grundeinstellung des Mandanten illustriere. Dabei hat sie offensichtlich übersehen, dass der Mann wegen dieses und 12 weiterer Vorfälle bereits 4 Monate zuvor freigesprochen worden ist. Die Freisprüche sind inzwischen rechtskräftig, was auch dem Leiter der JVA bekannt sein dürfte, ohne dass dies Einfluss auf die Stellungnahme der JVA gehabt hat.
Ich tendiere dazu, bei der Strafvollstreckungskammer anzuregen, eine aktuelle, wirklichkeitsbezogene Stellungnahme der JVA unter Berücksichtigung der rechtskräftigen Freisprüche und der Unschuldsvermutung einzuholen. Andererseits, was soll man erwarten, wenn man sich dort schon so einseitig festgelegt hat? Sollte da jemand tatsächlich die Courage haben, Fehler einzugestehen und zu einem anderen Votum zu kommen? Ruhig und friedfertig sei der Mann, heißt es immerhin sinngemäß in der Stellungnahme, aber er zeige sich häufig uneinsichtig. Letzteres kann ich verstehen, wenn ich mir die Stellungnahme der JVA durchlese.


http://strafblog.de/2013/06/12/absurde-stellungnahme-der-jva-aachen-zum-zweidrittel-antrag/